Einer..
 
 

Es begab sich zu der Zeit...

...als der ewige Kampf der Erkenntnis gegen die Dummheit noch nicht entschieden war und die Bedeutung der Einfachheit von den Menschen nicht verstanden wurde, weil es zu „einfach“ schien. Damals machte eine Frau sich auf die Suche nach den "Geheimnissen des Lebens". Dabei traf sie immer wieder auf 5 sonderbare Gestalten, die da hießen:

„Einer... Keiner... Jemand... Jeder... Niemand... (und in der Zusammenfassung: Alle)“

Während der Winter mit seinen frostigen Fingern das Land im Griff hatte, hatte die Frau viel Zeit mit Nachdenken verbracht und wollte fortan nicht mehr glauben, dass Krankheit und Elend die natürliche Bestimmung des Menschen sind. Die Frau hieß Mira.

Sie war weder groß noch klein, weder dick noch dünn, weder schön noch hässlich. Sie war eine normale Frau, wie viele andere auch. Der einzige Unterschied zu den meisten anderen bestand vielleicht darin, dass sie sich nicht mehr mit Erklärungen zufrieden geben wollte, die ihr nicht ausreichend schienen. Sie wollte das Leben verstehen, in das sie  hineingeboren worden war. Also machte sie sich auf den Weg und fragte alle Menschen, die ihr begegneten, ob einer von ihnen wüsste, worin das Geheimnis eines gesunden Lebens bestehe und welche Lebensweisheit sie kennen und nutzen würden? Aber die Menschen mochten ihre Fragen nicht. Sie schauten sie unsicher oder gar feindselig an.

„Was sind das für seltsame Fragen...?“, wunderte sich einer. „Das Leben hütet keine Geheimnisse. Es fragt  nicht einmal, 
ob man es leben will. Außerdem kenne ich keinen, der wirklich gesund ist. Irgendwas haben alle.“
Warum werden die Menschen krank?“, wiederholte Mira. „Ein Tier, das in seinen natürlichen Lebensraum geboren wird, bleibt doch auch gesund.“
„So lange der Mensch es in Ruhe lässt“, wusste jemand mit randloser Brille und schütterem Haar zu berichten, der wie eine asthmatische Ziege hustete. „Außerdem hat der Mensch keinen natürlichen Lebensraum mehr, deshalb braucht er sich auch nicht vorzusehen.“
„Was heißt das?“, fragte Mira.
„Sieh dich um, schau dir den Himmel an... Überall werden dicke Wolken in die Luft geblasen, die giftig sind. Was aus den Fabriken in unsere Flüsse und Seen fließt, ist ebenfalls giftig. Und was schließlich auf unseren Feldern in dieser Luft und mit diesem Wasser wachsen muss, kann schon lange nicht mehr gesund sein. Also brauche ich mich nicht vorzusehen und kann leben, wie ich will. Das macht jeder so.“
Alle nickten zustimmend.
„Genau das ist das Problem! Wenn jeder lebt, wie er will, wenn niemand sich verantwortlich fühlt, dann wird es schlimmer statt besser, und die Krankheiten werden mehr statt weniger“, gab Mira zu bedenken.
„So ist das...“, sagte einer und zuckte gleichgültig die Schultern, als ob es ihn nichts anginge. „Irgendwann trifft's jeden.“
„Wir alle tragen Verantwortung und müssen sofort etwas tun, um unseren Lebensraum zu verbessern. Dann werden unsere Lebensmittel besser und wir gesünder“, forderte Mira die Fünf auf. „Wir haben doch Kinder, die weiterleben wollen.“

„Ich bin doch nicht mein Leben lang für meine Kinder verantwortlich, die müssen selber gucken, wie sie klar kommen, das musste ich auch...“, meinte jemand, in dessen Mundwinkel ein qualmender Zigarettenstummel klebte, der beim Sprechen emsig hoch und runter wippte. Einer nickte zustimmend und niemand widersprach. Alle waren in Gedanken versunken und man sah es ihren Gesichtern an, dass sie keine Lust auf ein Gespräch hatten und schon gar nicht auf  Probleme, die nicht die eigenen zu sein schienen. Obwohl jeder vom Nachdenken über die Fragen einen Vorteil gehabt hätte, wollte keiner der fünf seine kostbare Zeit opfern, um Mira bei ihrer Suche nach den "Geheimnissen des Lebens“ zu helfen. Jeder fand einen anderen Vorwand, warum er gerade jetzt nicht konnte. Weil niemand helfen wollte, machte Mira sich alleine auf die Suche und fand Erstaunliches heraus.

Während ihrer Reise, die sie durch wundersame Landschaften führte, in denen alles üppig grünte und blühte, erinnerte sie sich an die alte Weisheit: "Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen...!" Die "Hüter der Lebensgärten", wie sie sich nannten,  wussten vom Wert der richtigen Nahrung und teilten ihr Wissen gern: "Nahrung sollte unsere tägliche Medizin sein und uns im Einklang mit Bewegung gesund erhalten!" Mira fiel auf, dass die Menschen untereinander sehr freundlich und hilfsbereit waren, sich oft und gerne in den Arm nahmen und es für Neid und Missgunst weder Worte noch Platz gab. Sie schrieb alles auf, um ihre Erkenntnisse auf der weiteren Reise mit allen Menschen zu teilen. Durch ihre liebenswerte, uneigennützige Art war sie ungewollt bekannt und wohlhabend geworden, denn für das, was sie freiwillig gegeben hatte, hatten sich die Menschen tausendfach bedankt.

Bei ihrer Rückkehr in die Heimat traf sie die Weggefährten von einst wieder.

Jetzt wollte jeder mit ihr befreundet sein und einer pochte noch mehr als der andere auf die alte Freundschaft, die sie miteinander verbinde. Jemand meinte sogar, man sei verpflichtet, unter Freunden zu teilen, ganz besonders den „Erfolg“. 
Alle nickten zustimmend, weil einer noch missgünstiger als der andere war. Aber Mira glaubte immer noch an das Gute 
inm Menschen und wollte allen eine neue Chance geben. Sie wollte weitere Erkenntnisse sammeln und wieder alles aufschreiben. Sie hatte von einem Apotheker aus Nancy gehört, der Erstaunliches entdeckt hatte...

EINER meinte, dass JEMAND helfen sollte, aber JEDER wusste, dass KEINER es tun würde, weil NIEMAND Lust hatte.
ALLE blickten in eine andere Richtung, ohne zu merken, dass sie ALLE in dieselbe Richtung blickten... in die falsche. 

Sie hatten nichts dazugelernt...

copyright © rena lessner / 19. juni 2007
 
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