Ich
schreibe aus Leidenschaft...
Im Mai 2006
halte ich mein kleines Büchlein in den Händen, das 2005 entstanden
ist. Eine märchenhafte Geschichte, die in der Realität wurzelt.
"Sternchen - ein wahres Märchen für
Erwachsene"
Leseprobe:
„Nein... bitte
nicht weinen, Kleines, das ist ja wirklich eine dicke Beule“, meinte sie
und überlegte, was am besten zu tun sei. Während sie noch überlegte,
hatte Sternchen sich auf den Moosboden gelegt und war erschöpft eingeschlafen.
„Mein Gott,
was soll ich denn jetzt nur tun?“
„Ich kann
es doch nicht hier liegen lassen...“ sagte Mira leise und war der Verzweiflung
nahe. Ihre Kraft reichte nicht einmal mehr für sich selbst... und
jetzt sollte sie auch noch jemand anderem helfen. Ihr fragender Blick ruhte
auf dem fremden kleinen Wesen mit den zartroten Apfelbäckchen. Aber
noch bevor sie sich diese Frage beantwortet hatte, schob sich ihre linke
Hand wie von selbst unter das kleine schlafende Wesen und hob es hoch.
Einen kurzen Augenblick wunderte sie sich. Dann bettete sie es behutsam
in ihre Jackentasche und ging einen Weg zurück, auf dem ihr kaum Menschen
entgegen kamen. Darin hatte sie Übung. Unterwegs dachte sie über
Sternchens Worte nach:
„Ich spreche
jede Sprache... mein Herz findet sofort die richtigen Worte.“
Wie schön
wäre es, wenn Menschen untereinander auch immer die richtigen Worte
finden und sich nicht so oft verletzen würden. Wenn ein Wesen aus
einer anderen Welt unsere Sprache sofort verstehen kann, dann müsste
es uns doch auch möglich sein, einander zu verstehen. Sie ging vorsichtig
weiter und versuchte die Jackentasche mit ihrer Hand so ruhig wie möglich
zu halten, damit das kleine Wesen nicht so durchgeschüttelt wurde.
Als sie in der Nähe ihrer Wohnung war, fiel ihr Blick auf ein Plakat:
"Folge
der Stimme deines Herzens,
sie
führt dich immer zur richtigen Zeit
zum
richtigen Ort..."
...stand dort
in großen Buchstaben als Ankündigung für ein Seminar über
ganzheitliche Heilmethoden. Es war ihr bisher gar nicht aufgefallen. Sie
schaute noch einmal vorsichtig in ihre Jackentasche, aber nichts rührte
sich. Sternchen schlief tief und fest und auf der Straße war niemand
zu sehen, den sie kannte. Aber sie kannte hier sowieso niemanden, sie war
immer fremd geblieben, eben nur eine Zugezogene. Sie schloss eilig die
Tür auf, um so schnell wie möglich in ihre sichere Wohnung zu
gelangen.
Endlich...geschafft!
Sie überlegte,
wo sie Sternchen hinlegen könnte und im selben Moment fiel ihr das
alte Puppenbett ihrer Tochter ein, die jetzt mit ihrer Familie weit entfernt
lebte, das sie als Erinnerung an „schöne Zeiten“ aufgehoben
hatte. Sie holte das kleine Holzbett aus dem Schrank und stellte es direkt
vor die Balkontür, damit Sternchen auf den einzigen Blumenkasten blicken
konnte, den sie besaß. Es schien Blumen sehr zu mögen. Mira
hatte ihn vor langer Zeit geschenkt bekommen und pflegte ihn gewissenhaft,
das eigene Geld reichte für so schöne Dinge nicht mehr... Vorsichtig
hob sie das schlafende kleine Wesen aus der fremden Welt aus ihrer Tasche
und legte es in das kleine Bett. Ein Gefühl der Zärtlichkeit
wollte sie erfassen, als sie es zudeckte, aber sie wandte sich schnell
ab.
„STERNCHEN“...
was für ein hübscher Name, dachte sie. Jetzt hatte sie ein eigenes
Sternenkind, eine eigene kleine Sternschnuppe, einfach vom Himmel gefallen,
direkt vor ihre Füße. „Aber was soll ich nur damit anfangen?“,
überlegte sie im selben Moment, „ich kann das kleine Wesen doch nicht
behalten. Es wird bestimmt traurig sein, wenn es nicht zu Hause ist. Hier
ist doch alles fremd und viel zu groß...“
Sie drehte
ihren Sessel so weit herum, dass sie das friedlich schlafende Sternenkind
betrachten konnte, und setzte sich nachdenklich hinein. Dabei fiel ihr
Blick auf die angebrannte Kerze und den wunderschönen großen
Wildblumenstrauß, der den Esstisch schmückte, und sie wischte
sich ein paar Tränen aus den Augen. Die traurige Frau dachte an das
Gespräch mit Sternchen zurück. Sie hatte noch nie davon gehört,
dass es verschiedene Welten nebeneinander gibt. Wie sollte sie sich das
vorstellen? Einfach durch ein Tor gehen... und schon ist man in einer anderen
Welt? Und wie kann man diese Tore erkennen?
Wo sind sie?
Ob sie auch
groß genug für Menschen sind?
Was das wohl
für eine Welt ist, in der das kleine Wesen lebt?
Ob es dort
auch Freude und Trauer gibt?
Wie auf der
Erde?
Dann wäre
das kleine Wesen jetzt bestimmt sehr traurig...
„Ich muss
ihm helfen, so schnell wie möglich wieder gesund zu werden, damit
es nach Hause kann. Ich darf nicht so viel weinen, während es hier
ist“, überlegte Mira und wusste noch nicht, wie ihr das gelingen könnte.
Sie wollte nicht weinen, aber ihr Körper brauchte anscheinend dieses
Ventil, um den dauernden inneren Druck abzubauen. Es kam aus heiterem Himmel,
selbst beim Einkaufen war sie nicht sicher davor. Beim letzten Einkauf
hatte sie zufällig gesehen, wie ein verliebtes Paar die Hände
ineinander schob und sich anlächelte - das reichte schon, um bei ihr
die Tränen fließen zu lassen... Sie flüchtete so schnell
sie konnte aus dem Geschäft.
Langsam verschwanden
die letzten Sonnenstrahlen und als es im Zimmer dunkel wurde, schloss die
traurige Frau ihre Augen und fiel zum ersten Mal seit langer Zeit in einen
tiefen ruhigen Schlaf. Ein ereignisreicher Tag ging zu Ende.
Es war
schon Morgen, als sie die Augen wieder öffnete und schlagartig kam
die Erinnerung zurück. Sie blickte auf das kleine Bett, das leer war,
und wollte aufspringen. Da hörte sie die helle Kinderstimme direkt
neben sich:
„Hallo...
suchst du mich?“
„Ich sitze
auf der Sessellehne und habe auf dich gewartet.“
„Wie... du
hast auf mich gewartet? Ich bin doch hier.“
„Ja, ja...
aber wenn du schläfst, bist du nicht in deinem Körper, dann macht
deine Seele eine Reise“, sagte das Sternenkind.
„Meine Seele...
eine Reise...?“
Mira schluckte.
Ende
Leseprobe / copyrignt © rena lessner